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Beitrag vom 23.02.2015
Girlhood - Bande de filles. Kinostart: 26. Februar 2015
Kristina Tencic
Ausschließlich mit Laienschauspielerinnen aus den armen Minderheitenvierteln in Frankreich arbeitet die Coming-of-Age-Filmemacherin Celine Sciamma in ihrem neuesten Drama nach Tomboy und Waterlilies.
Gewohnt sozialkritisch untersucht sie hier das spezielle Milieu der Pariser Vorstadt und gewährt dabei Einblicke in den Ausbruchprozess eines Mädchens, das sich nunmal nicht mit den vielen Regeln und Unfreiheiten zufrieden geben kann.
Es herrscht eine ausgelassene Stimmung, die Mädels gehen aus. Zumindest so weit, wie die 17 jährige Mädchengang ausgehen darf und frei sein kann - in ein Hotelzimmer, in das sie sich einmieten. Dort kiffen und trinken sie, ziehen sich schick an, kichern und singen und tanzen als seien sie in einem Club. Rihannas Song "Diamond" wird mitgegrölt und für einen Moment lang strahlen Marieme und ihre Freundinnen tatsächlich vor reinem Glück.
Außerhalb des Hotelzimmers ist das Leben weitaus freudloser. In der Pariser Vorstadt haben sie als Mädchen in einer von Jungen und Männern bestimmten Gesellschaft wenig zu sagen. Sie werden marginalisiert und die Gesetze sind allen bekannt. Etwa, dass frau den Haushalt zu besorgen hat, dass sie nicht einfach ihre Sexualität ausleben darf (und schon gar nicht mit den Freunden ihres Bruders), oder dass die Mädels unter sich noch so laut sein können, aber sobald sie sich in Gegenwart von Männern befinden, so gilt es den Blick zu senken und zu verstummen. Die Unterdrückung ist in ihrer Mimik und Gestik vor dem Mann spürbar, und die tagtägliche Gewalt, die Marieme durch ihren Bruder erfährt, vollendet nur das traurige Bild.
Auch das System schiebt Mariemes Zukunft einen Riegel vor: Die höhere Schullaufbahn wird ihr verweigert, selbst wenn sie wohl die Noten dazu hätte. Marieme bricht aus und verlässt das gewaltvolle Zuhause und das Viertel, das ihr zu eng geworden ist. Sie arbeitet als Drogeneskorte und fängt an, sich die Brüste abzubinden und Jungsklamotten anzuziehen.
Im Endeffekt weiss mensch nicht so recht, was die Moral von der Geschichte ist: Heißt es, dass frau gut daran tut, die männlichen Codes zu übernehmen, um in der von Männern regierten Gesellschaft ihre eigene Freiheit zu erlangen? Sieht so persönliche Emanzipation aus? Oder symbolisiert es nur den Ausbruch aus den Zwängen und Verhaltenscodes einer Community, die ihr nicht die nötige Unterstützung bietet, um einen anderen, den selbst erwählten Weg zu gehen und sich selbst zu finden? Viele Fragen bleiben unbeantwortet und bestätigen sich jedoch genau hierdurch in ihrer Legitimität und Dringlichkeit.
AVIVA-Tipp: Celine Sciamma konzentriert sich in ihrer filmischen Arbeit auf starke Mädchen, die sie beim Erwachsenwerden dokumentiert und dabei auch Genderthemen eine Erzählstimme verleiht. So erzählte sie etwa in Tomboy von der 10 jährigen Laure, die sich nach einem Umzug als Junge ausgibt. In ihrer neuen Coming-of-Age-Geschichte, die am Ende der Pubertät spielt, arbeitet sie ausschließlich mit Laienschauspielerinnen, was dem Film sehr viel Authentizität und erfahrbare Spontanität verleiht. Sie tut gut daran, religiösen oder rassistischen Vorurteilen keinen Raum zu lassen, indem sie sie schlichtweg nicht benennt. Die Sozialkritik mit Chuzpe wird nur etwas abgeschwächt, da sie die Charakterstärke, die sie im Casting hervorhebt, in ihrem Erzählfaden leider nicht zu kanalisieren weiß. Die Mädchenbande weiß allerdings mit ihrem Charme genau umzugehen und uns für zwei Stunden als eine von ihnen zu empfangen.
Zur Regisseurin: Die ebenfalls in der Pariser Vorstadt aufgewachsene Celine Sciamma hat sich als gelernte Drehbuchautorin bereits mit ihrem ersten Filmprojekt ins kalte Wasser geworfen. Das Drehbuch zu "Water Lilies" war ihre Abschlussarbeit an der renommierten französischen Filmhochschule "La Femis", für den sie auf Anraten ihres Dozenten, dem Schauspieler und Filmemacher Xavier Beauvois, auch gleich die Regie übernahm. 2007 debütierte ihr Film in Cannes, wurde für das Beste Erstlingswerk nominiert und feierte internationale Erfolge. "Tomboy" erhielt den Preis der Teddy-Jury in Berlin und eröffnete die Panoramasektion der Berlinale 2011. "Girlhood" wurde auf dem Stockholmer Filmfestival 2014 als bester Film ausgezeichnet und 2015 für einen Cesar in der Kategorie Regie, Nachwuchsdarstellerin und Tongestaltung nominiert. Die Rechte für das Abspielen des internationalen Hits "Diamonds" hat übrigens Rihanna selbst erteilt, nachdem ihr das engagierte Filmprojekt vorgestellt wurde.
Girlhood
Originaltitel: Bande des filles
Frankreich 2014
Regie: Celine Sciamma
Drehbuch: Celine Sciamma
DarstellerInnen: Karidja Toure, Assa Sylla, Lindsay Karamoh, Marietou Toure, u.v.m.
Spielzeit: 112 Minuten
FSK: ohne Angabe
Verleih: Peripher Filmverleih
Kinostart: 26. Februar 2015
Girlhood
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